Schlagwort: Roman

Rezension: “Nightbitch” von Rachel Yoder

Erfahrt in meiner Rezension zu “Nightbitch” warum dieses Buch definitiv mal etwas ganz anderes ist! 😀

Rezension: "Nightbitch" von Rachel Yoder

Inhalt

Eine junge Mutter legt ihre eigene Karriere auf Eis, um sich um ihren Sohn zu kümmern. Ein Knochenjob zwischen Holzeisenbahn und Lätzchen. Doch als sie körperliche Veränderungen feststellt – geschärfte Eckzähne und Haare, die sich wie Fellbüschel anfühlen – entdeckt sie eine unbekannte, animalische Seite an sich. Je stärker sich die rationale Künstlerin auf ihre Verwandlung einlässt, desto natürlicher gestaltet sich die Beziehung zu ihrem Kind. Doch wie soll sie es ihrem Mann erklären, dass der Sohn neuerdings im Hundekorb schläft und statt Joghurt und Cornflakes lieber rohes Fleisch frühstücken möchte?

Quelle: Argon Verlag

Meine Meinung

Mutterschaft, Wahnsinn und der Wunsch nach Selbstbestimmung

Ein Buch, das aus dem Rahmen fällt

Nightbitch” ist kein nullachtfünfzehn Roman, den man mal eben nebenbei liest. Schon nach wenigen Seiten war mir klar: Diese Geschichte hat ein ganz eigenes Feeling. Rachel Yoder wirft ihre Leser:innen mitten hinein in den Kopf einer Frau, die Mutter geworden ist – und sich selbst dabei immer mehr verliert. Sie glaubt, sich in eine Hündin zu verwandeln. Und das ist nicht nur provokant, sondern auch tief symbolisch.

Was mich dabei besonders fasziniert hat: Das Buch bleibt absichtlich vage. Die Protagonistin berichtet nach und nach wie sie Veränderungen an sich feststellt, sowohl im Verhalten, in ihrer Wahrnehmung, aber auch konkret körperlich. Die tiefgreifenden Gefühle der Veränderung in ihrer Rolle und Selbstbestimmung, die Müdigkeit, das Ausbrechen aus Normen und gewisse Aggressionen sind gekoppelt an diese animalische Veränderung. Aber gibt es diese Veränderung wirklich physisch? Handelt es sich um eine Art Werwolf-Geschichte? Oder ist es vielmehr eine metaphorische, eingebildete Veränderung. Eine Störung der eigenen Wahrnehmung der Protagonistin? Es gibt Anzeichen und Hinweise, aber es bleibt ungewiss! Und gerade das macht die Geschichte für mich so spannend.

Rollen, die auffressen – im wörtlichen Sinne?

Rachel Yoder gibt ihren Figuren keine Namen. Die Mutter ist „die Mutter“, ihr Mann ist „der Ehemann“, das Kind bleibt „der Junge“. Das wirkt distanziert, ist aber ein kluger Kunstgriff. Es geht nicht um individuelle Biografien, sondern um das System dahinter: um Rollenbilder, Erwartungen, Überforderung.

Zudem wird die Geschichte aus der Perspektive der Mutter erzählt. Es gibt keinen allwissenden Erzähler, der die Situation beschreibt, von daher sind die Bezeichnungen auch Ausdruck von Positionen in ihrem Leben.

Die Protagonistin war früher Künstlerin, voller Ideen, kreativ, intellektuell. Jetzt ist sie hauptsächlich eins: Mutter. Und sie spürt, dass sie langsam verschwindet. Zwischen Spielgruppen und Gesprächen über Kotze und Schlafphasen stellt sich die Frage: Was ist eigentlich noch von mir übrig? Die Verwandlung zur Nightbitch – aggressiv, tierisch, selbstbestimmt – wird zum Ausbruch aus diesen engen Grenzen. Oder zur Flucht?

Körperlichkeit, Kunst und Kontrollverlust

Ein zentrales Thema ist der Körper. Der weibliche Körper, der sich durch Schwangerschaft und Geburt verändert hat – und der plötzlich in ein ganz neues Licht gerückt wird. Die Vorstellung von Weiblichkeit und der Mutterschaft wird durch Erzählungen über rätselhafte Völker fast spirituell hervorgehoben.

Die Mutter entdeckt ihren Körper auf eine ganz neue Art und Weise. Sie beobachtet Veränderungen. Sie spürt ihren Körper ganz neu, sie entwickelt sich in ein neues Wesen. Als ein animalischeres Wesen, was ihr ermöglicht ihre Vorstellungen vom Leben wieder zu erleben.

Es wirkt so, als ob das animalische in ihr ganz ohne ihre Kontrolle hervorkommt. Vielleicht ist es eine Art Selbstschutz, weil sie glaubt diese Veränderungen nicht aus dem Mensch hervorbringen zu können der sie gerade ist. Es braucht mehr, es braucht ein animalisches, starkes und unkontrolliertes Wesen, dass diese Aufgabe für sie erfüllt.

Dabei spielt auch Kunst eine große Rolle. Die Mutter beginnt, sich selbst als Kunstprojekt zu inszenieren, ihre Erfahrungen zu dokumentieren, zu deuten. Ob sie dabei den Bezug zur Realität verliert oder endlich wieder Zugang zu sich selbst findet, bleibt offen. Beides ist möglich – und beides ist nachvollziehbar.

Zwischen Rebellion und Anpassung

Nightbitch” ist kein feministisches Manifest im klassischen Sinne, aber es ist ein tief feministischer Text. Es geht um Sichtbarkeit, Selbstbestimmung, Wut und Wildheit. Um die Frage, was passiert, wenn Frauen sich entscheiden, nicht mehr angepasst zu sein – sondern instinktiv, roh, unbequem.

Auch die Beziehung zum Ehemann ist von Distanz geprägt. Er ist oft dienstlich abwesend. Er „hilft mit“, aber das ist auch schon alles. Er nimmt keine aktive Rolle in ihrem Leben ein – so das Gefühl. Die emotionale Last, die Verantwortung, die Isolation – all das bleibt an ihr hängen. Die Nightbitch wird zur Rebellion gegen ein Leben, das sie sich so nie vorgestellt hat. Doch je mehr sie sich in die Nightbitch verwandelt, je mehr sie aus einem Leben in Passivität ausbricht und ihrer wilden und freien Seite Platz einräumt, so aktiver wird auch ihre Beziehung zu ihrem Mann. Sie blüht auf, sie nimmt ihr Leben wieder aktiv in die eigene Hand.

Fazit

Nightbitch” ist ein Buch, das herausfordert. Es ist wütend, absurd, körperlich – und gleichzeitig voll leiser Beobachtungen und kluger Gedanken. Rachel Yoder schreibt ohne Rücksicht auf Leser:innen, die eine einfache Antwort wollen. Stattdessen bleibt vieles im Raum stehen – und genau das wirkt nach.

Für mich ist es ein Buch über Kontrollverlust, aber auch über die Kraft, sich neu zu definieren. Über das Spannungsfeld zwischen Mutterschaft und Selbstverwirklichung. Und vor allem geht es der Frage nach wie sehr man sich von Rollenbildern einengen lassen muss. Wie sehr will man angepasst sein? Es erfordert Mut auszubrechen, aber man gewinnt Freiheit und Selbstbestimmung.

Ein herrlich außergewöhnlicher Roman, der einen nicht loslässt. Und vielleicht sogar ein bisschen in den eigenen Kopf kriecht.

Buchdetails:

“Nightbitch” von Rachel Yoder
Argon Hörbücher – 16.09.2023 (Hier geht’s zur Verlagsseite🔗)
Hörbuch – 8:47Std. – ab 21,95€ (UVP)


Hinweise

Rezension: ©alienicious 2025

Das rezensierte Buch habe ich selber erworben.

Eine Übersicht meiner Rezensionen findet ihr hier. 🕮

Rezension: “Komet” von Claire Holroyde

In meiner Rezension zu “Komet” von Claire Holroyde erfahrt ihr, wie diese fesselnde Geschichte die Bedrohung eines heranrasenden Kometen auf die Erde schildert und die tiefgreifenden Auswirkungen auf die Menschheit darstellt.

Rezension: "Komet" von Claire Holroyde

Inhalt

Ein dunkler Komet rast mit beängstigender Geschwindigkeit auf die Erde zu und wird in etwa 180 Tagen einschlagen. Der Komet ist von beängstigender Größe, ein sogenannter “Planeten-Killer”, vergleichbar mit dem Himmelskörper, der einst die Dinosaurier auslöschte.

Eine Allianz aus Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen kommt zusammen, unterstützt von verschiedenen Regierungen und Militärs, um Szenarien zu entwerfen, wie man den Kometen ablenken oder zerstören und die Auswirkungen auf unseren Heimatplaneten minimieren kann.

Es ist offensichtlich: Es bedarf einer waghalsigen Weltraummission, um den Kometen mithilfe einer Atombombe von seinem Kurs abzulenken. Doch ob die Umsetzung dieses Vorhabens in wenigen Monaten realisierbar ist, bleibt unklar.

Meine Meinung

Perspektiven

Der Roman entfaltet sich aus unterschiedlichen Blickwinkeln. Wir blicken durch die Augen der Wissenschaftlerin, die den Kometen entdeckt hat, erleben die Perspektive des Wissenschaftlers, der die Mission maßgeblich lenkt, tauchen ein in die Welt einer kleinen Crew von Wissenschaftlern, eines Fotografen und eines Dichters auf einem Schiff in der Arktis, begegnen einer Frau mitten in New York und vielen anderen.

Diese vielfältigen Blickwinkel verleihen der drohenden Katastrophe eine bemerkenswerte Vielschichtigkeit und lassen die Geschichte lebendig werden. Jeder Charakter trägt seine eigenen Ängste, Sorgen und Prioritäten im Angesicht des herannahenden Weltuntergangs und muss entscheiden, wofür es sich lohnt, seine verbleibenden Tage zu opfern. Ihre Gefühle und Gedanken durchlaufen ein tiefes emotionales Tal. Einige sind allein von dem Bestreben getrieben, den Kometen abzuwenden. Einige von ihnen brechen unter dem Druck zusammen, andere passen sich an und entdecken eine neue Sicht auf die Welt und den Wert des Lebens.

Der Weltuntergang naht

Das Beklemmende am “Weltuntergang” ist, dass die Erde selbst weiterexistieren wird, während die Zukunft der Menschheit in Frage steht. Gewiss nicht in der Form, wie wir sie heute kennen.

Als die Nachricht die Öffentlichkeit erreicht, dass der Komet die Erde tatsächlich treffen wird, bricht die gesellschaftliche Ordnung zusammen. Es beginnt mit banalen Dingen wie der ausbleibenden Müllabfuhr und verschärft sich rasch zu unterbrochenen Lieferketten, Ausfällen der Internetverbindung und einem Versiegen der Trinkwasserversorgung. Die Liste der Probleme ist endlos.

Doch es kommt noch schlimmer: Die sozialen Normen und Werte erodieren in kürzester Zeit, und die Menschen verfallen in einen primitiven Überlebenskampf. Raub, Gewalt, Totschlag und schlimmeres dominieren die Szene, wenn unter dem Druck der Krise Instinkte in uns zum Vorschein kommen. Einige gehen weit über das eigene Überleben hinaus und lassen all den Hass, Neid, Gier und Gewalt freien Lauf ohne den Rahmen aus Gesetzten, Ethik, Kultur und sozialen Normen.

Besonders beeindruckend wird die Fragilität unserer Nahrungsmittelversorgung dargestellt. Die Situation in Großstädten ist äußerst realistisch und beängstigend. In urbanen Zentren sind die Menschen zu hundert Prozent von Lieferketten abhängig, und es gibt bei weitem nicht genug lokale Ressourcen, um die Bevölkerung zu versorgen.

Abgeschottet von der Zivilisation

Eine weitere eindrückliche Perspektive bietet die kleine Forschungscrew auf einem Schiff in der Arktis. Die Autorin illustriert eindrücklich, wie sehr wir global vom Internet abhängig sind. Der Kontakt zu Familie und Freunden ist heutzutage mithilfe des Internets nahezu weltweit gewährleistet. Wenn diese Verbindung abbricht, setzt schnell eine beklemmende Einsamkeit ein. Für die Crew kommt erschwerend hinzu, dass sie keine Informationen darüber erhalten, was auf dem Festland geschieht. Eine schwierige Entscheidung steht ihnen bevor: Sollen sie auf See ausharren und auf ihre Vorräte setzen bis diese schwinden, oder sich ins Unbekannte auf dem Festland wagen? Welche Option ist das kleinere Übel? Die Charaktere vermitteln eindringlich ihre Gefühle angesichts der drohenden Katastrophe und bilden eine kleine, isolierte Gemeinschaft.

Parallelen zu Preppern und der Realität der Pandemie

Die jüngste Covid-19-Pandemie hat uns gezeigt, wie sehr unsere Gesellschaften von der Stabilität der Lieferketten abhängig sind. Dinge wie unterbrochene Lieferketten und der Mangel an Medikamenten sind inzwischen allzu vertraut. Die Geschichte betont die Realitätsnähe solcher Szenarien und verdeutlicht, wie sinnvoll es sein kann, sich auf Krisen vorzubereiten.

Hier zeigt sich die Bedeutung des “Preppertums”. In der Geschichte sind es diejenigen, die Vorräte haben und die Fähigkeiten besitzen, sich selbst zu versorgen, die die besten Überlebenschancen haben. Das Buch spiegelt eine Welt wider, in der das Wissen über das Überleben in der Wildnis und der Zugang zu Ressourcen entscheidend sind und wie sehr unsere “westlichen Gesellschaften” sich diesem Wissen entfremdet haben.

Hier ein kleine Übersicht vom Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe →

Emotionale Achterbahn

Ich erwarb dieses Buch aufgrund seines fesselnden Themas und meiner persönlichen Faszination für Szenarien des Weltuntergangs. Doch ich war nicht darauf vorbereitet, wie tief mich diese Geschichte ergreifen würde. Bereits jetzt kann ich sagen, dass “Komet” eines der bewegendsten Bücher des Jahres 2023 für mich ist. Ich litt mit den Charakteren, fühlte mit ihnen, weinte und fürchtete mich mit ihnen. Manchmal musste ich das Buch beiseitelegen, da es so viele realistische Szenarien aufwirft. Claire Holroyde hat hier hervorragende Arbeit geleistet, indem sie eine fesselnde Geschichte mit vielfältigen Charakteren erzählte und die Verzweiflung und Angst so eindrücklich vermittelte. Und schließlich taucht ein Hauch von Hoffnung am Horizont auf. Ist es möglich, dass die Menschheit eine solche Krise überleben kann?

Fazit

Dieses Buch ist eine Achterbahnfahrt durch die menschlichen Emotionen. Es bietet nicht nur eine spannende und wissenschaftlich fundierte Handlung, sondern auch facettenreiche und authentische Charaktere, deren Entwicklung von anfänglicher Angst bis hin zu fast spiritueller Hoffnung reicht. Es präsentiert eine Geschichte voller realistischer und düsterer Szenarien. Für mich persönlich war es ein absoluter “Page-Turner” und verdient meine uneingeschränkte Empfehlung.

Snackable-Sciene: Himmelskörper im Überblick

Da die Begriffe Asteroid, Komet, Meteor, Meteroid und Meteorit häufig sehr synonym verwendet werden, hier eine kleine Aufklärung.

  • Kometen sind eisige Himmelskörper mit einem charakteristischen Schweif, der sich bildet, wenn sie der Sonne näher kommen.
  • Asteroiden sind feste Himmelskörper, die im Weltraum zwischen den Planeten unseres Sonnensystems existieren, oft im Asteroidengürtel zwischen Mars und Jupiter.
  • Meteoroiden sind kleinere, feste Objekte im Weltraum, die von winzigen Gesteinsbrocken bis zu mehreren Metern Größe reichen.
  • Meteore sind leuchtende Streifen am Himmel, die entstehen, wenn Meteoroiden in die Erdatmosphäre eintreten und verglühen. Wir kennen sie als Sternschnuppen.
  • Meteoriten sind die Überreste von Meteoroiden, die die Erdoberfläche erreichen und nicht vollständig verglühen. Sie können aus Stein, Eisen oder einer Mischung von Materialien bestehen.

Buchdetails:

“Komet – Countdown zum Weltuntergang” von Claire Holroyde
dtv – 18.05.2023
Taschenbuch 12,95€
Verlag: dtv →


Hinweise

Rezension: ©alienicious 2023

Das rezensierte Buch habe ich selber erworben.

Eine Übersicht meiner Rezensionen findet ihr hier.

Rezension: “Die Oberfläche des Glücks” von Claire Kells

"Die Oberfläche des Glücks" von Claire Kells

Seit dem Absturz gibt es für Avery nur eine Zeit davor und eine Zeit danach. Davor war sie eine der erfolgreichsten Wettkampfschwimmerinnen an ihrer Uni. Sie war beliebt und hatte einen Freund, der alles für sie getan hätte. Ihr Leben war einfach.

Jetzt, danach, ist alles anders. Avery schwimmt nicht mehr. Sie verkriecht sich im Haus ihrer Eltern, versucht zu verarbeiten, was geschehen ist. Sie denkt nicht an Colin, der neben ihr im Flugzeug saß und mit ihr überlebte.

Avery und Colin sprechen nicht über das, was dazwischen geschehen ist. Als sie in der Wildnis gegen den Tod kämpften, wussten sie, was sie zu tun hatten. Doch nun ist ihnen klar, dass das Weiterleben nach dem Überleben manchmal die größere Herausforderung ist …

(Cover-, Text- und Zitatrecht: Lübbe LYX Verlag)

Meine Meinung

Gedanken zum Buch

Jeder einzelne von uns, der einen Flugzeugabsturz nicht selbst überlebt hat, wird sich wohl in diese Situation wirklich einfühlen können, oder dessen Nachwirkungen wirklich begreifen können. So geht es mir zumindest. Der Gedanken an einen Flugzeugabsturz, erfüllt mich mit Grauen, Angst, Panik. Ich denke an Schmerzen, Leid und Trauer, aber auch daran wie sich das Weiterleben als Überlebender anfühlen muss. Ist man erfüllt von Dankbarkeit? Dankbarkeit, dass man überlebt hat. Glücklich, dass man zu seiner Familie und seinen Lieben zurück kehren kann. Oder ist das Trauma zu schwerwiegend? Begleitet einen die Angst Tag für Tag? Lebt man mit einer Schuld, weil andere Menschen es nicht geschafft haben? Erstickt man an Fragen ob man mehr hätte tun können?

Avery

Avery ist Studentin, Wettkampfschwimmerin, sie ist beliebt, ist mit einem lieben, gut aussehenden Jungen zusammen und genießt ihr Leben, dann kommt der Absturz. Auf dem Weg von ihrer Uni nach Hause stürzt das Flugzeug in dem sie und viele andere sitzen in den Bergen ab. Neben ihr sitzt Collin, ein Freund und Schwimmer aus ihrer Mannschaft. Obwohl ihr fast das Herz stehenbleibt kann sie nichts anderes tun als abwarten und Collins Hand halten.

Ihre Geschichte wird in zwei Strängen aus Averys Sicht erzählt. Im aktuellen Geschehen ist Avery zu ihren Eltern zurück gezogen, sie verkriecht sich und ist zerbrochen und ziemlich durcheinander wie es jetzt weitergehen soll. Kann sie weitermachen, gibt es eine Zukunft oder doch lieber einfach all dem Trubel entkommen und sich bloß nicht mit ihren Gefühlen auseinandersetzen. Abwechselnd werden in Rückblenden die Tage nach dem Flugzeugabsturz erzählt. Wie sie, Collin und die drei Jungs nach dem Absturz zu überleben versuchten.

»Ich lächle – wiederstrebend, unsicher, aber immerhin. Keine Tränen. Etwas in mir scheint wieder Halt zu finden, ich habe wieder festen Boden unter den Füßen.«

(Seite 122)

Wasser, kalt und beängstigend vs. eine Zuflucht, ein Teil von Avery

Besonders das Wasser spielt eine zentrale Rolle in Averys Geschichte, als Schwimmerin hat sie sich seit ihrer Kindheit im Wasser wohl und Zuhause gefühlt. Wasser, Schwimmen,Pools waren ihr so vertraut, dass sie ein Teil von ihr waren.

Nach dem Absturz wurde Wasser zu ihrem Feind. Sie hat es als kalt, gefährlich und tödlich kennengelernt. Der Gedanke daran das Schwimmen wieder aufzunehmen und sich ins kühle Nass zu begeben macht ihr eine Heidenangst. Sie befindet sich in einem heftigen Zwiespalt und ist gelähmt.

Collin und die Jungs

Collin, Averys Mannschaftskamerad aus dem Schwimmteam, hingegen scheint sehr gefasst zu sein. Seine Gefühlswelt wird weniger klar als Averys, doch auch er hat seine Päckchen zu tragen. Was zwischen ihnen war und ist, ist sehr schleierhaft. Ist es die Verbundenheit gemeinsam überlebt zu haben, hat es sie für immer zusammen geschweißt oder trennt die gemeinsame Erinnerung die beiden doch viel mehr? So verkörpert der Andere doch immer die traumatische Erinnerung.

Ihre Beziehung ist sehr tiefgründig, sehr facettenreich und ganz und gar nicht plump erzählt. Es ist keine Liebesgeschichte von zwei Überlebenden. Sie gehen nicht als kitschiges Paar aus der Krise hervorgehen, sondern es entwickelt sich vielmehr eine zarte und zerbrechliche Verbindung. Sie lernen den Halt des anderen Schätzen.

»Der Nebel hatte sich gelichtet. Danach träumte ich in grellem Rot und schlierigem Blau. Ich sah bleiche, erstarrte Gesichter, deren Münder sich lautlos bewegten, wie bei sterbenden Fischen. Ich sah […] einen See ohne Grund. Ich sah drei kleine Jungen, die tot in meinen Armen lagen. Und ich sah Collin wie er jemanden rettete.«

(Seite 23)

Besonders warm und herzlich fand ich persönlich, wie Avery und Collin sich um die drei kleinen Jungs gekümmert haben, die mit ihnen zusammen den Absturz überlebt haben. Avery stand immer zwischen Überforderung und Überlebenswillen, Collin hingegeben hat allgegenwärtig eine Ruhe und Stärke ausgestrahlt, die man sich wirklich nur wünschen kann. Es war sehr schön, wie unterschiedlich die beiden Charaktere waren und doch so verbunden.

Entwicklung und Tempo

Zuerst dachte ich, dass das Buch schon ein sehr langsames Tempo anschlägt. Dass die Geschichte einfach nicht in an Fahrt aufnimmt. Nach und nach hat sich die Geschichte jedoch so zart und liebevoll und zerbrechlich entwickelt, dass ich verstanden habe, dass es in genau dem richtigen Tempo erzählt wurde. An diesem Buch passt wirklich alles zusammen und hat mich sehr bewegt.

»Als ich ihn lächeln sehe, schlägt mein Herz zum ersten Mal an diesem Nachmittag wieder normal.«

(Seite 124)

Fazit

»Die Oberfläche des Glücks« ist ein unfassbar gefühlvolles, tiefgründiges Buch. Es strotzt nicht vor Handlung, Action und einem aufgeblasenen Überlebenskampf in den Bergen, sondern bewegt es viel mehr auf der Gefühlsebene von Avery und Collin. Eine sehr bewegende Geschichte, die mir einige Tränen in die Augen getrieben hat! Eine Geschichte die zarter und einfühlsamer nicht hätte sein können. Mittlerweile habe ich es noch zwei Mal als Hörbuch gehört, es ist eins meiner All-Time Favorites.

Alle meine Rezensionen findet ihr hier 🠖

Buchdetails

Verlag: Lübbe Verlag (07.2016)
(Damals noch im Egmont Verlag unter dem Label INK verlegt, jetzt im Lübbe Verlag unter dem Label LYX. Aktuell nur noch als Ebook erhältlich.)

352 Seiten

Verlagsseite →


Hinweise

Rezension: ©alienicious 2022

Ursprünglich auf meinem ehemaligen Blog “Blutrot” 2016 erschienen. Hier zu lesen, die überarbeitete und ergänzte Variante von Juni 2022.

Ich habe das Buch damals als Rezensionsexemplar erhalten.